Schnee ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Klimasystems, das sich aufgrund des Klimawandels rasch verändert. Er spielt auch eine wesentliche Rolle für das Leben der Menschen, vor allem derjenigen, die in der Arktis (z. B. Grönland) oder in Bergregionen (z. B. in den österreichischen Alpen) leben. Im Rahmen des Snow2School-Projekts arbeiten WissenschaftlerInnen und SchülerInnen zusammen, um die Veränderungen des Schnees zu verfolgen und zu bewerten, was diese Veränderungen sowohl für die Gemeinschaften als auch für das Klima bedeuten.
Schneefotos und ihre Geschichten: Wie arktische und alpine Jugendliche an der Schneeforschung teilnehmen
Das interdisziplinäre Citizen-Science-Projekt Snow2School, das von Sparkling Science (OeAD-Zentrum für Citizen Science) finanziert wird, bringt KlimatologInnen der Universität Graz, SozialanthropologInnen der Universität Wien sowie LehrerInnen und SchülerInnen zweier lokaler Schulen in Uummannaq, Nordwest-Grönland, und Eisenerz in den österreichischen Alpen zusammen. Die SchülerInnen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren fungieren als NachwuchsforscherInnen in dem Projekt. In Anbetracht der Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis und in den Alpen besteht das Hauptziel des Projekts darin, vergangene und gegenwärtige Schneeveränderungen und ihre Bedeutung für die lokalen Gemeinschaften in beiden Regionen zu untersuchen. Dazu werden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden eingesetzt, darunter Interviews, Schneemessungen sowie mono- und interdisziplinäre Workshops, ergänzt durch den Online-Austausch. Im Zentrum der Forschung stehen sowohl historische als auch aktuelle Schneefotos, die nicht nur Veränderungen der Schneemuster visuell dokumentieren und deren quantitative Analyse ermöglichen, sondern auch Einblicke in die sich verändernden Mensch-Umwelt-Beziehungen in beiden Forschungsgebieten bieten. Die NachwuchsforscherInnen sammeln unter Anleitung des wissenschaftlichen Projektteams Fotos, Geschichten aus ihren Familien und Communities sowie Umweltdaten, um die Veränderungen des Schnees in Vergangenheit und Gegenwart zu erforschen.
Links: Urgroßeltern vor einer Almhütte in Etmissl, 1980 (© Vanessa Löcker, BORG Eisenerz 6. Klasse). Rechts: Radmer, 1963 (© Lara Dobnigg, BORG Eisenerz 7. Klasse).
28. Dezember 2023, Lainbach, Gemeinde Landl (© Jonas Stübler, BORG Eisenerz 6. Klasse)
Snow2School und Sozialanthropologie
Die anthropologische Komponente des Forschungsprojekts konzentriert sich auf das Verständnis der sich verändernden Schnee- und Umweltbedingungen und deren Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften in den vom Klimawandel betroffenen Schlüsselregionen, nämlich der Arktis und den Alpen. In Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinschaften und mit der tatkräftigen Unterstützung der SchülerInnen werden Schneefotos und ihre Geschichten durch verschiedene Interviewtechniken, einschließlich Fotoerhebungen, gesammelt. Die AnthropologInnen sind besonders an den Narrativen und Emotionen interessiert, die diese Bilder vermitteln, sowie an den persönlichen Geschichten, die mit einer sich verändernden Umwelt verbunden sind. Darüber hinaus werden sozialwissenschaftliche Workshops durchgeführt, in denen den SchülerInnen Forschungskompetenzen vermittelt und gemeinsam Themen und Ziele für die Interviews entwickelt werden. Darüber hinaus versuchen die Mitglieder des Anthropologie-Teams, durch Online-Kommunikation einen sinnvollen Austausch zwischen den beiden Partnerschulen zu schaffen, der das kulturübergreifende Lernen und ein tieferes Verständnis für Umweltveränderungen in verschiedenen Regionen der Welt fördert (Elixhauser & Gusenleitner, 2025).
Klimawissenschaft und künstliche Intelligenz (KI)
Im Falle der österreichischen Alpen reichen die Schneemessungen ca. 130 Jahre zurück, was uns eine Fülle von Erkenntnissen über die Entwicklung der Schneeverhältnisse in dieser Region liefert. Leider wissen wir in dieser Hinsicht viel weniger über Grönland, wo nur sehr wenige und kürzere Zeitreihen mit schneebezogenen Informationen verfügbar sind. Wenn man bedenkt, dass Grönland etwa 25 Mal größer ist als Österreich, ist der Unterschied in der Datendichte groß.
Schneemessungen in den Alpen (angepasst aus © Matiu et al., 2021).
Schneemessungen in Grönland (angepasst nach © van der Schot et al., 2024).
Eines der Ziele der klimawissenschaftlichen Perspektive des Snow2School-Projekts ist es, das Wissen über die Schneeverhältnisse in Grönland zu verbessern. Anhand von (historischen) Fotos, die von den SchülerInnen gesammelt wurden, und anderen Quellen werden wir versuchen, die Schneehöhen der Vergangenheit mit Hilfe von KI-Methoden zu rekonstruieren. Mit den in der Region Eisenerz verfügbaren Informationen können wir unsere neue Rekonstruktionsmethode anhand von Daten aus Schneebeobachtungen testen. Im Idealfall kann diese Methode dann auf Grönland angewandt werden, um auch dort mehr über vergangene Schneeverhältnisse zu erfahren.
Transdisziplinäre Schneeforschung
Im Wesentlichen verfolgt Snow2School einen interdisziplinären Citizen-Science-Ansatz. Aufgrund der Integration von verschiedenen disziplinären und nicht-akademischen Wissensarten – besonders geeignet, um gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel anzugehen – fällt das Projekt auch in die Kategorie der transdisziplinären Forschung. Ein Beispiel für diese transdisziplinäre Forschung ist die Fotoausstellung in Eisenerz, bei der die Schneefotos im Mittelpunkt der gemeinsamen Forschung stehen. Die Fotoausstellung, eine gemeinsame Initiative des wissenschaftlichen Projektteams, der österreichischen Partnerschule BORG Eisenerz, des Stadtmuseums Eisenerz und der Lawinenkommission, wurde mit einer großen Auftaktveranstaltung an der BORG Eisenerz eröffnet. Anschließend wurde sie in das historische Zentrum von Eisenerz verlegt, wo sie bis März 2025 zu sehen sein wird. Neben den bisher durchgeführten sozialwissenschaftlichen Workshops und einem interdisziplinären Workshop mit den SchülerInnen der BORG Eisenerz ist ein klimawissenschaftlicher Workshop in Vorbereitung, der in dieser oder der nächsten Wintersaison durchgeführt werden soll.
Die Feldaufenthalte in Uummannaq zeichnen sich auch durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den KlimawissenschaftlerInnen und AnthropologInnen, den SchülerInnen sowie MitarbeiterInnen der Partnerschule Atuarfik Edvard Kruse und anderen Gemeinschaftspartnern wie dem Kinderheim Uummannaq aus. In den Jahren 2023 und 2024 fanden sowohl in der Stadt Uummannaq als auch in der kleineren Siedlung Ukkussissat verschiedene Indoor- und Outdoor-Workshops statt, in denen den SchülerInnen sowohl qualitative als auch quantitative Methoden der Schneeforschung vermittelt wurden. So lernten die SchülerInnen beispielsweise, kurze Interviews mit Gemeindemitgliedern zu führen, um die Erfahrungen und das Wissen der Ummannarmiut (Einwohner von Uummannaq) in Bezug auf die Veränderungen der Schnee- und Umweltbedingungen im Laufe der Zeit zu erforschen. Für das Frühjahr 2025 ist ein Fotowettbewerb geplant, an den sich eine Ausstellung in der Schule anschließen wird.
Ferner wurden die physischen Eigenschaften des Schnees an beiden Standorten während dieser Workshops untersucht. Dabei waren SchülerInnen unterschiedlichen Alters beteiligt – während wir in Uummannaq mit NachwuchsforscherInnen im Alter von etwa 15 Jahren arbeiteten, waren die Kinder in Ukkussissat zwischen 6 und 10 Jahre alt. Wir diskutierten über die Schichtung des Schnees und die Prozesse nach der Ablagerung sowie über die lokale Variabilität, indem wir verschiedene Probenahmestellen in der näheren Umgebung verwendeten. Die SchülerInnen hatten Spaß daran, den größten Schneekristall in der Gegend zu finden, und ermittelten Temperaturgradienten in der Schneedecke. Alle fanden es spannend, Daten über die physischen Eigenschaften von Schnee in einem Umfeld zu sammeln, das praktische Erfahrungen mit Schnee mit einem tieferen Verständnis seiner Eigenschaften verbindet.
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NachwuchsforscherInnen in Ukkussissat, April 2024 (© Andreas Trügler).
Zusammen mit den NachwuchsforscherInnen wurden mehrere Geräte für die Langzeitüberwachung installiert. Dabei haben wir uns auf einen Ansatz konzentriert, der „Eigentum“ an den Instrumenten schafft. Dazu gehört, dass wir im Vorfeld praktische Fragen berücksichtigen und uns fragen: Wie können wir verhindern, dass die Instrumente von Schnee bedeckt werden, welche Reichweiten sind zu erwarten und decken wir die physikalischen Eigenschaften in einer für unsere Forschungsfragen relevanten Auflösung ab?
Zeitrafferaufnahmen des ikonischen Uummannaq Mountain April-Juli 2024, Kamera montiert in Zusammenarbeit mit den NachwuchsforscherInnen in Uummannaq (© Snow2School).
Schnee, Eis, sich verändernde Traditionen und neue Möglichkeiten - erste Ergebnisse von Snow2School
Neben dem gemeinsamen Ziel, einen Citizen-Science-Ansatz für die Schneeforschung zu entwickeln, zielt die anthropologische Forschung darauf ab, die langfristigen Erfahrungen der BewohnerInnen der Regionen Eisenerz und Uummannaq zu erforschen. Erste Ergebnisse aus Eisenerz zeigen, dass Schneeereignisse, insbesondere extreme Schneeereignisse, seit jeher eine zentrale Rolle im Alltag der Menschen spielen. Ähnlich wie in anderen Alpenregionen nehmen die Wetterextreme zu, und die Jahreszeiten sind unberechenbarer geworden. Zwar gibt es immer noch gelegentlich schneereiche Winter, aber die Zahl der Tage, an denen ununterbrochen Schnee liegt, nimmt immer mehr ab. Die anthropologische Forschung legt nahe, dass das Thema des anthropogenen globalen Klimawandels für die Generation der SchülerInnen besonders relevant ist. Lokale Umweltveränderungen, insbesondere die Veränderung der Schneeverhältnisse, werden hingegen bisher als weniger besorgniserregend angesehen. Einige EinwohnerInnen von Eisenerz heben sogar die positiven Aspekte der alpinen Lage ihrer Stadt hervor und bemerken, dass die Sommer zwar heißer werden, die Temperaturen hier aber im Vergleich zu städtischen Gebieten in Österreich relativ kühl bleiben. Angesichts der starken Abwanderungsbewegung in Eisenerz infolge des Niedergangs des Bergbaus seit den 1990er Jahren sehen sie darin einen potenziellen Impuls für die Regionalentwicklung. Das Verständnis der unterschiedlichen Perspektiven und Bedeutungen, die Umweltveränderungen für die Menschen in Eisenerz und in den Alpen im Allgemeinen haben, bleibt ein wichtiger Schwerpunkt der laufenden Forschung.
Vorläufige anthropologische Erkenntnisse aus Uummannaq deuten darauf hin, dass Veränderungen der Schneedecke für das tägliche Leben der Uummannarmiut weniger relevant sind als Veränderungen der Eisverhältnisse. Ähnlich wie in Eisenerz nimmt die Schneedecke in Uummannaq ab, die Perioden mit starkem Schneefall werden kürzer, und der Schneefall ist weniger vorhersehbar als früher. Dies wird von den Einwohnern bedauert, da Aktivitäten im Schnee, wie Schlittenfahren und der Bau von Iglus oder Schneehöhlen, sehr beliebt sind. Uummannaq liegt auf einer kleinen Insel und ist im Sommer von Wasser und im Winter von Eis umgeben. Hundeschlitten, Schneemobile, Privatautos und sogar Taxis fahren vom Herbst bis zum späten Frühjahr (April, Mai oder sogar Juni, je nach Jahr) über das Eis.
Fahrt über den Eisfjord mit einem Hundeschlitten (© Andreas Trügler).
Eine geringere Eisbedeckung schränkt diese Fortbewegungsarten ein, die, wie im Fall des Hundeschlittens, emotionales Gewicht haben und Teil kultureller Traditionen sind. Instabile Eisverhältnisse wirken sich auf verschiedene andere menschliche Praktiken aus. Wie wir von einem älteren Gemeindemitglied erfuhren, durften Kinder früher auf dem Eis spielen und sich alleine auf dem Eis von der Stadt entfernen. Das Eis war dick genug und immer verlässlich, so dass keine Gefahr bestand. Heutzutage dürfen Kinder nicht mehr ohne die Aufsicht von Erwachsenen aufs Eis gehen, weil das Eis weniger stabil sein kann. Dies ist nur ein Beispiel für eine Reihe von Praktiken (wie Fischfang, Jagd und andere Subsistenzaktivitäten), die angepasst werden müssen.
Fahrt mit dem Auto über das Eis zwischen den Siedlungen der Uummannaq-Region (© Andreas Trügler).
Um qualitatives Wissen über die Bedeutung des Meereises für lokale Gemeinschaften zu integrieren, kann eine Verbindung zu fernerkundungsbasierten Karten der Eisbedeckung zu bestimmten kritischen Jahreszeiten hergestellt werden. Die folgende Abbildung zeigt beispielsweise die Meereisverteilung am 10. Mai und vom 13. bis 15. Juni für die Jahre mit vorhandenen Satellitendaten (1984-2022) und einigen historischen Berichten (Abermann et al., 2023). Dies gibt einen nützlichen Anhaltspunkt dafür, was als „normal“ angesehen werden kann und wie die letzten Jahre von diesem Normalzustand abgewichen sind.
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Möglichst genaue Meereisverteilung um den 10. Mai und 13. bis 15. Juni für die Jahre mit Satellitenabdeckung (1984-2022) und einige historische Berichte (© Abermann et al., 2023).
Citizen Science und Community Engagement sind Forschungskonzepte, die es wert sind, weiterverfolgt zu werden, weil sie die Bedeutung des Lernens über die Welt auf eine Art und Weise betonen, die mit den Interessen der lokalen Gemeinschaften übereinstimmt. Der Aufbau von Projektverantwortung über Tausende von Kilometern hinweg erfordert gute Beziehungen zwischen dem Projektteam und den ProjektteilnehmerInnen aus Österreich und Grönland. Wir hoffen, dass die Beziehungen, die im Rahmen dieses Projekts zwischen dem akademischen Team, den NachwuchsforscherInnen, dem Schulpersonal und den Gemeindemitgliedern entstanden sind, zu einer Reihe ähnlicher Projekte führen und einen verstärkten gegenseitigen Austausch fördern werden.
Medieninformation
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Fotos: © Snow2School; Titel Foto links © Theresa Gusenleitner, rechts © Jakob Abermann.
Artikel verfasst von:
Gusenleitner Theresa1, Elixhauser Sophie1, Rasmussen Kerstin Krøier2, Abermann Jakob2, Trügler Andreas2, Maier Markus3, Abraham Lisa3, Arnoldi Tim4, Mathiassen Arnak4, Schöner Wolfgang2, Schweitzer Peter1
1University of Vienna, 2University of Graz, 3BORG Eisenerz, 4Atuarfik Edvard Kruse
Besuchen Sie die Snow2School Project Website.
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Publikationen
Abermann, J., Vandecrux, B., Scher, S. et al. Learning from Alfred Wegener’s pioneering field observations in West Greenland after a century of climate change. Sci Rep 13, 7583 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-33225-9
Elixhauser, S. and T. Gusenleitner. Citizen science, anthropology and intercultural transdisciplinarity: Connecting school students in Greenland and Austria on the topic of snow. Sociologus (in press), 2025.
Matiu, M., Crespi, A., Bertoldi, G., Carmagnola, C. M., Marty, C., Morin, S., Schöner, W., Cat Berro, D., Chiogna, G., De Gregorio, L., Kotlarski, S., Majone, B., Resch, G., Terzago, S., Valt, M., Beozzo, W., Cianfarra, P., Gouttevin, I., Marcolini, G., Notarnicola, C., Petitta, M., Scherrer, S. C., Strasser, U., Winkler, M., Zebisch, M., Cicogna, A., Cremonini, R., Debernardi, A., Faletto, M., Gaddo, M., Giovannini, L., Mercalli, L., Soubeyroux, J.-M., Sušnik, A., Trenti, A., Urbani, S., and Weilguni, V.: Observed snow depth trends in the European Alps: 1971 to 2019, The Cryosphere, 15, 1343–1382, https://doi.org/10.5194/tc-15-1343-2021
van der Schot, J., Abermann, J., Silva, T., Rasmussen, K., Winkler, M., Langley, K., and Schöner, W.: Seasonal snow cover indicators in coastal Greenland from in situ observations, a climate model, and reanalysis, The Cryosphere, 18, 5803–5823, https://doi.org/10.5194/tc-18-5803-2024